Arbeitsmarkt: 47 000 Jugendliche bleiben jährlich ohne Abschluss – spezielle Fördermaßnahmen sollen ihnen eine Zukunft bieten
In den Medien werden im Juni wieder die Absolventen der ortsansässigen Schulen genannt. Wahrscheinlich wird auch dieses Jahr erneut ein Rekord an Einserabiturienten gebrochen und dies stolz verkündet. Oft bleibt aber eine traurige Nachricht ungenannt, nicht jeder Schüler schafft seine Prüfungen und erhält somit den ersehnten Schulabschluss. Besonders dramatisch ist dies, wenn die Hauptschule ohne ein ausreichendes Zeugnis verlassen wird, da jene Schulabgänger wahrhaft mit leeren Händen dastehen. Nachdem jahrelang die Anzahl dieser Schüler gesunken war, ist nun der Anteil bundesweit wieder gestiegen. Laut der Caritas, die Jahr für Jahr Statistiken hierfür herausgibt, liegt er derzeit bei 5,9 Prozent, das sind etwa 47 500 betroffene Jugendliche. Oftmals enden diese Schullaufbahnen dann in unterbezahlten Aushilfsjobs oder gar in der Arbeitslosigkeit. Das Bundesland Hessen möchte ihnen im Rahmen eines neuen Bildungsprogramms nun eine Chance geben und die Altenpflegerschulen auch für Schulabbrecher öffnen. Doch nicht nur diese Überlegung zeugt für das Engagement Hessens, Menschen im unteren Bildungsfeld eine Perspektive zu eröffnen, sondern auch die Statistiken der Caritas, denn in keinem anderen Bundesland ist die Quote der Schüler ohne Abschluss so niedrig wie bei uns. Nur noch in Bayern liegt die Quote ebenfalls unter der Fünfprozenthürde. Nichtsdestotrotz ist
auch hier fast jeder 20. betroffen. Ein Pilotprojekt könnte ihnen nun, neben dem Nachholen des Abschlusses, auch eine gesicherte Zukunft ermöglichen. Derzeit müssen Interessenten einer Altenpflegerausbildung in den meisten Bundesländern die mittlere Reife oder einen Hauptschulabschluss plus eine Ausbildung in der Altenpflegehilfe für die Zulassung an den Ausbildungsinstituten vorweisen können. Da in den
letzten Jahren jedoch die Beliebtheit des Berufs massiv eingebrochen ist und bereits jetzt ein massiver Mangel an Fachkräften besteht, plant Hessen, den Hauptschulabschluss in die Ausbildung zu integrieren. Der Beruf Altenpfleger bietet sich deshalb an, da es sich um schulische
Ausbildungen handelt, die über einen Praxisteil verfügen. Vermutlich würde sich die Dauer der Lehre dadurch zwar von drei auf dreieinhalb
Jahre erhöhen, aber die Zeit, die dafür gebraucht werden würde, den Abschluss nachzuholen und sich anschließend ausbilden zu lassen,
durch das Pilotprojekt verkürzt werden. An diesem Vorhaben scheiden sich die Geister. Befürworter sehen eine Chance, Menschen eine Perspektive zu gegeben, die in unserer leistungsorientierten Gesellschaft oft alleine gelassen werden. Zudem besteht die Möglichkeit, freie Stellen in diesem unterbesetzten Berufsfeld zu besetzen und somit dem demographischen Wandel zu trotzen. Kritische Stimmen befürchten
dagegen, dass Azubis ohne Abschluss den Anforderungen nicht gewachsen sein könnten, zumal sie eine Doppelbelastung meistern müssten: Nachholen des Schulabschlusses und die Ausbildung selbst. Des Weiteren könnte ihrer Meinung nach die Zahl der Ausbildungsabbrecher
steigen, vor allem dann, wenn auch noch die Dauer erhöht und somit die Euphorie reduziert wird. Sophia Rhein